Sterndeuter im Goßdorfer Raubschloss

Der Sterndeuter im Goßdorfer Raubschloss

Auf der kleinen Burg an der Schwarzbach bei Goßdorf, die den Berka von der Duba gehörte, hauste zur Zeit der Hussitenkriege ein alter Mann, den niemand kannte, und von dem man sich nur erzählte, daß er dem Ritter von Hohnstein das Leben gerettet habe und zum Danke dafür in den Nießbrauch der Burg und des Dorfes eingesetzt worden sei.

Er bewohnte mit zwei zottigen, schwarzen Hunden einen hohen, jetzt versunkenen Wartturm, den kein männliches Wesen betreten durfte und auch den Frauensleuten war das obere Zimmer verschlossen. Dort soll er den Teufel beschworen haben.

Zweimal im Jahre verließ der Alte die Burg und kehrte erst nach einigen Wochen von seiner geheimnisvollen Reise wieder zurück. Einstmals aber brachte er eine verschleierte junge Dame von großer Schönheit mit sich.

Er selbst führte zwar sein Einsiedlerleben weiter, aber im Schloße kehrte jetzt häufig der Lehnsherr aus Hohnstein ein, blieb auch oft über Nacht da und suchte die Gunst des Fräulein Bertha, so hieß die Jungfrau, zu gewinnen. – Ungefähr nach Verlauf eines Jahres, als eben der von Duba wieder anwesend war, kam das Fräulein um Mitternacht aus ihrem Gemach zu dem Alten in den Turm gestürtzt. Daraufhin übergab dieser einem sicheren Manne ein Paket mit der Weisung, es zum Pfarrer nach Hohnstein zu tragen, und bald darauf geschah ein furchtbarer Knall, und Turm und Schloß lagen in Trümmern.

Der Alte und das Fräulein waren verschwunden, weil sie wahrscheinlich der Gottseibeiuns geholt hatte, den Ritter aber fand man in ihrem Schlafzimmer, von einem Dolch das Herz durchbohrt.

Noch heute soll man den Alten um die Mitternachtsstunde mit seinen Hunden unter den alten Mauern umherwandeln sehen; auch das Fräulein soll dann mit einem blutigen Dolche ihm folgen und sich gar traurig gebärten.

Die ganze Aufklärung hat aber in dem Paket gestanden, das der Alte dem Pfarrer nach Hohnstein geschickt. Er ist nämlich ein Sterndeuter gewesen, der dem Ritter von Hohnstein einst verkündet, dass sie beide in einer Stunde sterben würden. Der Duba hatte später des Sterndeuters Weib verführt, und diese war von ihrem Gatten erdolcht worden. Ihr Kind aber, ein schönes Mädchen, ließ er in Olmütz in Zucht und Ehren erziehen.

Inzwischen erhielt er durch Unterhandlungen mit dem Duba das Goßdorfer Schloß und rächte sich nun hier an ihm, indem er ihm später seine eigene erwachsene Tochter in die Arme führte. Das fromme Mädchen aber durchbohrte ihn mit dem nämlichen Dolche, der ihre Mutter getötet. Dem Sterbenden entlockte der Alte das Geheimnis und sprengte dann die Burg in die Luft.

Die echte Volkssage weiß nur davon zu berichten, daß die Ritter auf dem Raubschloß bei ihren Beutezügen den Rossen die Hufeisen verkehrt aufschlagen ließen, um so ihre Spuren zu verwirren.

Anmerkung: Die Echtheit dieser romantischen Sage muß überhaupt bezweifelt werden; wenigstens ist sie stark ausgesponnnen. – Zu einem ganzen Roman (mit bestimmten politischen Nebenabsichten) sind die Sagen vom goßdorfer Raubschloß vearbeitet in dem sehr selten gewordenen Büchlein: „Das schwarze Raubschloß zu Goßdorf“ oder „Der schwarze Tod im Jahre 1349 im meißner Hochland“ von Ferdinand Rentzsch, Hohnstein 1849, Verlag der Centralschulbuchhandlung, Leipzig, in der Reinschen Buchhandlung.

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