Niedermühle an der Kirnitzsch

Von Mühlen und Müllern im Arbeitsgebiet des Gebirgsvereins für die Sächsische Schweiz
Prof. Dr. Alfred Meiche (Dresden):

Niedermuehle_Hauptgebaeude_kleinDas die Niedermühle sehr alten Ursprunges, ja vielleicht eine der ältesten Mühlen im Kirnitzschtal ist, wird erwiesen durch eine interessante Entdeckung, die der jetzige Besitzer im vergangenen Jahre gemacht hat. Das Hochwasser des Jahres 1927 hat nämlich den Pflanzenwuchs, vor allem die dicke Mooskruste, die sich im Laufe der Jahrhunderte an den Uferfelsen angesetzt hatte, vollkommen losgewaschen. Dabei sind in den Felsen zu beiden Seiten des Wassers in gleichen Abständen ziemlich große, regelmäßig geformte Vertiefungen sichtbar geworden, die zweifellos die Menschenhand geschaffen hat. Niedermuehle_Bretterhaus_kleinDer Fachmann erkennt unweigerlich in diesen Spuren die Widerlager der Balken von ehemaligen primitiven Wehranlagen. Das sind Zeugen aus sehr alter Zeit, denn Wehre in dieser Anordnung sind schon seit Jahrhunderten nicht mehr üblich.
Aber auch urkundliche Belege für das Alter der Niedermühle sind vorhanden. Nach Meiche, historisch-topographische Beschreibung bei Amtshauptmannschaft Pirna, hat Hinterhermsdorf im Jahre 154 drei Müller. Davon zinst George Holfeldt, 1 ½ Rute, von einer Brettmühle unterm Mühlhübel (jetzt Niedermühle an der Kirnitzsch).
Hier wird also die Niedermühle als Brettmühle aufgeführt. Gleichzeitig ist aber in dieser Mühle auch gemahlen worden, wie die alten Mahlgeräte beweisen, die man vorgefunden hat. Leider lässt sich nicht feststellen, Niedermuehle_Muehlgraben_kleinob die Mühlen im Kirnitzschtal als Mahl- oder als Schneidemühlen gegründet worden sind. Unter den Bewohnern dieser Gegend wird oft die Meinung vertreten, die Mühlen im Kirnitzschtal seinen ursprünglich Mahlmühlen gewesen und erst später in Schneidemühlen umgewandelt worden. Gegen diese Behauptung sprechen praktische Gründe. Zu Mahlzwecken bevorzugten die Bewohner doch sicher die Mühlen, die sich innerhalb oder in nächster Nähe ihres Wohnortes befanden. Tatsächlich hat jeder Ort der hinteren Sächsischen Schweiz derartige Mühlen. Niedermuehle_Stauwehr_kleinIn Hinterhermsdorf hat wohl die sogenannte Dorfmühle diesem Zwecke gedient. Erst später, als die Zufuhr zum Kirnitzschtale keine allzu großen Schwierigkeiten mehr bot, ließ man auch dort mahlen. Ferner deuten der ungeheure Holzreichtum der Gegend, sowie andererseits der ganz bedeutende Bedarf der Städte an Bau- und Brennholz – man kannte die Verwendung der Kohle noch nicht – darauf hin, dass die Kirnitzschtalmühlen von Anfang an in erster Linie Schneidemühlen gewesen sind.
Eine sehr interessante Erscheinung bezüglich der Namen der Mühlenbesitzer im oberen Kirnitzschtal sei noch erwähnt. Unter ihnen kehrt der Name Puttrich sehr häufig wieder. Es ist erwiesen, dass sogar einmal drei Mühlen in diesem Gebiet gleichzeitig in der Hand eines Puttrich gewesen sind, und zwar die Obermühle im Heidelbachtal, die Böhmische Mühle als Mittelmühle und die Niedermühle. Nun ist der Name Puttrich derjenige, der sich in der Geschichte von Hinterhermsdorf am weitesten zurückverfolgen lässt. Die ersten nachweislichen Träger dieses Namens waren tüchtige Forstleute in der hinteren Sächsischen Schweiz (um 1600). Späterhin ist auch das Erblehngericht im Besitz dieser Familie; überhaupt hat dieses Geschlecht stets zu den angesehensten von Hinterhermsdorf gehört. Mit seiner Ausbreitung sind wohl auch die Mühlen des Dorfes, als früher recht einträgliche Besitztümer, in seine Hände gelangt. So haben wir mit dieser Familie eine Art Seitenstück zu der Müllerfamilie Röllig am Krippenbach.
Um 1800 herum ist ein Puttrich Besitzer der Niedermühle und der Böhmischen Mühle. Da er keinen männlichen Leibeserben hinterlässt, vermacht er diese beiden Mühlen zwei Enkeltöchtern, von denen die eine die Niedermühle, die andere die Böhmische Mühle erhält. Von diesen beiden Frauen erzählt nun der Volksmund, dass sie zeitlebens arg miteinander verfeindet gewesen sind. Und als dann Ende der fünfziger Jahre die Niedermühle abbrannte und kurze Zeit darauf die Böhmische Mühle das gleiche Schicksal traf, knüpften die Bewohner natürlich allerhand böse Vermutungen an diese Ereignisse. Beide Mühlen sind wieder aufgebaut worden, die Böhmische Mühle, wie schon erwähnt, nur als Wirtschaftsgebäude.
Die Niedermühle ist Schneidemühle geblieben; gleichzeitig ist aber auch hier gemahlen worden (1922 das letzte Mal). In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ist auch einmal eine Zeitlang Holzschleiferei betrieben worden. Unter dem heutigen Besitzer ist die Niedermühle eine gut ausgebaute Schneidemühle, die Wasserkraft beträgt etwa 20 PS.

 

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